Was ich an Japan "hasse"...




Also um eines vorher klarzustellen, ich liebe Japan.
Und ich habe keinerlei Absichten, es in irgendeiner Weise schlecht zu machen.
Wie ich mitbekommen habe sind viele Menschen in der Hinsicht sehr kleinlich und kommen sofort mit Spruechen wie "Warum wohnst du denn dann dort?" oder "Keiner hat dich gezwungen dort hinzu gehen!
Das stimmt natuerlich. Aber kann man nicht etwas total lieben und trotzem seine Probleme damit haben?
Oder ist es nicht eher mit Allem so?
Ich mag dazu den Vergleich mit Menschen. Egal wie sehr man jemanden liebt und wie perfekt man jemanden findet. Wenn man ihn besser kennt gibt es immer irgendetwas, das einen stoert. Ob man diese Makel akzeptieren kann oder nicht sei mal dahingestellt. Dies kommt auch immer auf die Menge oder das Ausmass der Maengel an oder nicht?
Genauso ist das eben mit Orten. Egal wie toll ein Ort ist, es gibt immer Vor- und Nachteile.

Ich fuer meinen Teil bin sehr gerne hier und trotzdem gibt es natuerlich einiges was mich stoert. Ich akzeptiere diese Punkte auch groesstenteils und versuche damit klar zu kommen und mich nicht zu sehr zu beschweren aber sie sind eben vorhanden und man muss nichts schoenreden, was in Wirklichkeit nicht allzu toll ist.
Fuer viele ist Japan das Traumland oder Paradies und sie sehen es als eine art Ort an dem es ueberall glittert und funkelt. An dem die Jungs sich vor einen stellen und ein romantisches Liebesgestaendnis abliefern oder wo einfach alles niedlich pink ist wie im Anime.
Aber die Realitaet sieht nun oft einfach mal anders aus.

Aber nun zu den Makeln von denen ich rede...
Einige Punkte die mich in Japan etwas stoeren sind folgende:

-Idols 
Dieser Hype geht mir ehrlichgesagt ein wenig auf den Keks.
Ich habe kein Problem damit wenn sich ueber 18 Jaehrige vor der Kamera raekeln und Bikini Fotos von sich verkaufen aber bei 10-14 Jaehrigen Kindern kann ich das definitiv nicht nachvollziehen.... Das geht soweit dass sogar 9 Jaehrige Maedls im TV zu Beruehmtheiten werden und von alten Maennern vergoettert... fuer mich ist das wie gesagt sehr komisch und ich kann es in keiner Weise nachvollziehen. Naja solange nichts passiert ist das scheinbar ok aber trotzdem muss man sich daran erst gewoehnen.

-Jugend- und Schlankheitswahn 
Viele Japaner sind besessen von der Vorstellung fuer immer schoen und jung zu sein. Nicht nur bei den Frauen selber ist dieses Streben voll ausgepraegt sondern auch bei Maennern. Dies aeussert sich unter anderem indem jede Frau die in etwa kleinere Faeltchen zeigt oder nicht mehr wie 20 aussieht als "Obachan", also als "Alte" oder auch "Tante", wie man es etwas netter uebersetzen koennte bezeichnet wird. Wobei erstere Uebersetzung definitiv mehr den Sinn trifft.
Kein Wunder also, dass alle versuchen mit irgendwelchen Cremes und Mixturen oder sogar kosmetischen Eingriffen nachzuhelfen um sich selbst ein juengeres Aussehen zu verschaffen und somit dem Wort "Obachan" noch ein Weilchen laenger zu entfliehen.
Auch mit dem Gewicht verhaelt es sich aehnlich.
Wie ihr vielleicht aus aelteren Posts wisst war ich frueher etwas pummelig, um nicht zu sagen dick. Bevor und nachdem ich nach Japan kam hatte ich viele Kilos runter aber trotzdem war ich in Japan noch zu dick. Viele Leute sagten mir ich waere huebscher wenn ich 10 Kilos weniger wiegen wuerde und manche machten oft Scherze ueber mich. Damals wog ich 62 Kilo auf 157 cm, was in Deutschland definitiv als normal eingestuft werden wuerde. Das liegt auch daran, dass Japaner einfach DNA bedingt schlanker sind und einen niedrigeren BMI haben als wir Europaer.

-Gaijinwahn
Gaikokujin= Auslaender. Eigentlich heisst die korrekte Bezeichnung naemlich GAIKOKUJIN (外国人). Das Zeichen 国 "Land" wird aber oft einfach weggelassen.
Die Kurzform "Gaijin" (外人) ist etwas ruppiger und hat eine leicht andere Bedeutung.
Es wird nur mit den Zeichen 外 "Draussen" und 人 "Mensch" geschrieben und heisst wortwoertlich "Der von draussen" oder eben auch "Aussenseiter". Und so wird man auch oft behandelt. Naja, ich muss sagen dass ich persoenlich durch diesen Punkt jedoch ettliche Vorteile geniesse. Ausserdem werde ich zum Beispiel oft auf offener Strasse von anderen Maedchen gefragt ob ich nicht ein Foto mit ihnen machen wuerde oder beim Weggehen angesprochen wie "Kawaii" ich doch sei.
Auch mein Sohn bleibt davon nicht verschont. Viele sind total scharf darauf mein Baby zu sehen weil sie der Meinung sind alle "Haafu", also halb-japanische Kinder seinen 10 mal suesser als Japanische.
Ich hoere auch oft, wenn ich wen zum ersten Mal treffe "Deine Nase ist so schoen gross"und "du hast so ein kleines Gesicht" (???!!) Wobei ich immer noch nicht weiss wieso das Komplimente sein sollen.... o.O Aber Japaner finden unsere "grossen Nasen" und "kleinen Gesichter" scheinbar total huebsch. Der Kommentar mit den "grossen Augen" ist ja wenigstens noch etwas nachvollziehbar...

-Preise
Also mal zu einem ganz anderen Thema.
Auch hier laesst sich drueber streiten ob das ein guter oder schlechter Punkt ist. Ich finde es gut, dass etwas darauf geachtet wird dass Innlandprodukte verwendet werden und die Bauern etwas mehr verdienen wie in Deutschland. Man kann also hier wenn auch schwer noch vom Gemueseanbau leben... Dennoch sind mir viele Sachen einfach zu teuer. Wenn man bedenkt dass Kaese gut das 5-Fache von Deutschland kostet dann ist das schon eine ziemliche Frechheit. Zumal diese Produkte aus Europa importiert werden und es grossteils keine Konkurrenz in Japan gibt wird auf diese trotzdem eine mega Einfursteuer verhaengt.
Anfangs war ich etwas genervt davon. Inzwischen habe ich mich damit arrangiert und koche weniger mit Kaese. Tut meiner Figur gut...
Nur bei z.B Fruechten trifft mich der Preisschlag schon etwas mehr... Ich liebe sie aber goenne mir selten was weil ich einfach nicht 1,50 Euro fuer einen einzigen Apfel ausgeben will. Da schlaegt wohl die deutsche "Geiz ist geil"-Mentalitaet doch etwas durch...

-Engstirnigkeit
Die japanische Engstirnigkeit zeigt sich wohl am besten im Beispiel des Tattoo-Verbotes.
In oeffentlichen Badeanstalten, Pools, Straenden, Fitnessstudios und am Arbeitsplatz sind Tattoos noch immer strengstens verboten. 
Und jeder Japaner (vor allem der aelteren Generation), den man dazu befragt bringt nachdem man mit der standart Mafia-Diskussion durch ist das selbe Argument: "Warum tut man sowas dem Koerper an, der einem von seiner Mutter unter Schmerzen geschenkt wurde? Ich kann das nicht nachvollziehen!" und raucht dabei am besten noch genuesslich seine Zigarette.
Auf das Gegenargument "Aber Rauchen fuegt dem Koerper mehr Schaden zu als ein Tattoo, egal wie gross dieses auch sein mag. Was tut IHR also dem Koerper an, den euch eure Mutter unter Schmerzen geschenkt hat?" habe ich bis jetzt noch keine akzeptable Antwort bekommen.
Ja, ich weiss, dass dieses Tattoo-Verbot mit der japanischen Mafia, der Yakuza zu tun hat. Und ich weiss auch dass diese damals und auch heute noch fuer ettliche Probleme in Japan verantwortlich waren/sind. Doch sind die schlimmsten Mafiosis trotzdem oft Tattoolos. Sie wollen nicht erkannt werden und fuehren ein relativ normales, unscheinbares Leben.
Mal ganz abgesehen davon, dass Tattoos auf der ganzen Welt bereits zum Standard gehoeren dort nicht mehr und nicht weniger als ein Trend oder ein persoenliches Denkmal sind.
Ich will nicht wissen, wieviele Milliarden sich Japan durch dieses Hirnrissige Verbot schon durch die Lappen gehen hat lassen. Touristen, die nicht in Onsen koennen, weil ihre Koerperkunst dort nicht akzeptiert wird wuerden doch die Staatskassen enorm fuellen. Denn wer will nicht, wenn er schon mal in Japan ist einen Onsen besuchen.
Ausserdem zeigt sich die japanische Engstirnigkeit in vielen anderen Punkten wie zum Beispiel der Kindererziehung, Koerperpflege oder Ernaehrung. In vielen Punkten moegen sie durchaus recht haben aber trotzdem sollte man andere Meinungen anhoeren und versuchen zu akzeptieren, vor allem wenn es einen nicht persoenlich betrifft.

-Geschenke 
Man bekommt auch in Japan zu jedem wichtigen Anlass von Freunden, Arbeitskollegen und Familie teure Geschenke. Egal ob zur Hochzeit, zur Geburt, zum Geburtstag, als Souvenir nach einer Reise. Man bekommt immer etwas. Soweit so gut, wer bekommt nicht gerne Geschenke.
Das Problem in Japan liegt nur darin, dass man nach dem Bekommen eines Geschenkes dieses erwiedern muss. Nach japanischer Manier sollte das erwiederte Geschenk um die 30 Prozent des Wertes des erhaltenen Geschenkes haben. Kompliziert oder? Und total nervig.
Dazu ein Beispiel: Als wir geheiratet hatten (das war erst letztes Jahr im Oktober) haben wir von ca 30 Leuten Geschenke bekommen. Geld, Spielzeug, Essen, etc. Gesamtwert war um die 4000 Euro wenn nicht sogar etwas mehr. Das heisst also wir mussten um die 1300 Euro fuer Geschenke ausgeben um jedem, der uns etwas geschenkt hatte ein "Dankeschoen fuer das Geschenk"- Geschenk schicken.
Ein paar Monate spaeter wurde Haruki geboren und diese ca. 30 Leute hatten uns wieder Geschenke geschickt. Nett von ihnen aber jetzt mussten wir wieder allen ein Paket als Dankeschoen schicken... Ihr koennt euch denken wie nervig und teuer das mit der Zeit ist. Die meissten Geschenke, die man bekommt sind sowieso Sachen, die man sich selbst nie gekauft haette weil man sie nicht wirklich braucht (z.B ueberteuerte Porzellansets) aber trotzdem muss man danach sein eigenes Geld ausgeben um das Geschenk zu erwiedern. Wobei man in solchen Zeiten gerade das Geld dringend braucht um das neue Baby einzukleiden oder in die Flitterwochen zu fahren... diese dumme Tradition geht aber nicht nur mir sondern auch vielen Japanern ordentlich auf den *** und ich hoffe, dass diese bald verschwindet.




Alles in Allem ueberwiegen natuerlich die Dinge, die ich an Japan mag und die Punkte die ich oben aufgefuehrt habe moegen vielleicht etwas generalisiert sein. Natuerlich kenne ich auch in Japan viele verschiedene Menschen mit verschiedenen Ansichten. Nur gibt es im Grossen und Ganzen eben oft Muster, die einem als Aussenstehender vielleicht etwas mehr auffallen als wenn man damit aufgewachsen ist und diese als normal ansieht.

Ich liebe Japan jedenfalls trotzdem und werde weiterhin versuchen, die weniger tollen Aspekte einfach aussen vor zu lassen und mein Leben so zu leben wie ich das will :)



Rinchan's Welt

Mein Name ist Rin, ich bin 25 Jahre alt und moechte euch in diesem Blog einen kleinen Einblick in mein Leben in Japan geben. Viel Spass beim Stoebern und mehr ueber mich findet ihr bei "About me".

3 Kommentare:

  1. Hey Du,
    ein toller Beitrag von dir und ich stimme dir da voll und ganz zu.
    Ich habe auch schon - obwohl ich noch nie in Japan war - erleben müssen, dass man gleich angefeindet wird, wenn man hinter die bunte Glitzerwelt, hinter die Fassade gucken möchte, die manche so in ihrem Kopf haben, dass sie an etwas anderes gar nicht denken.
    Alles an Japan ist toll, alles ist super und es ist DAS Traumland schlechthin.
    Natürlich ist es auch mein Traumland, aber ich weiß auch, dass es viele Schattenseiten in diesem Land gibt und die Punkte, die du aufgezählt hast, sind nur wenige davon.
    Wirklich klasse Beitrag, den ich gleich mal teilen musste.

    Liebe Grüße aus "good" old Germany
    Mel

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    1. Danke sehr :)
      Ich rechne auch damit, dass irgendwann diesbezueglich Kommentare kommen werden. Viele wollen nicht wahrhaben, dass Japan ein Land wie jedes andere ist und auch seine Schattenseiten hat.
      Und ich habe auch ersmal nur einen kleinen Teil davon aufgezaehlt, der mich persoenlich stoert. Natuerlich gibt es noch einiges mehr und vielleicht komme ich in nem anderen Post darauf zurueck :)

      LG Rin

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    2. Danke sehr :)
      Ich rechne auch damit, dass irgendwann diesbezueglich Kommentare kommen werden. Viele wollen nicht wahrhaben, dass Japan ein Land wie jedes andere ist und auch seine Schattenseiten hat.
      Und ich habe auch ersmal nur einen kleinen Teil davon aufgezaehlt, der mich persoenlich stoert. Natuerlich gibt es noch einiges mehr und vielleicht komme ich in nem anderen Post darauf zurueck :)

      LG Rin

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