Wie ich nach Japan kam und was mich dort alles erwartete (Teil 6 - Begegnungen und das Jetzt)


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Jahre vergingen in denen viel passierte.
Meine Freundin war diese ganze Zeit mit mir in Japan und wir wohnten zusammen aber sie hatte noch immer kein gueltiges Visum weshalb sie nicht arbeiten durfte.
In den 3 Jahren war sie deshalb einige Male nach Korea und sogar nach Deutschland zurueckgereist. Des weiteren hielt sie sich mit Aushilfsjobs ueber Wasser. Miete und die meissten anderen anfallenden Lebensausgaben hatte ich fuer sie mitgezahlt. Da wir aber inzwischen nicht mehr befreundet sind will ich nicht allzuviel ueber sie schreiben.

Die Zeit verging wie im Fluge und wir hatten jede Menge Spass.
Wir fanden Freunde aus allen Herrenlaendern wie Nepal, der Tuerkei, Brasilien, Russland und vielen anderen. So bauten wir uns nach und nach ein richtiges Netz an Bekanntschaften auf, das uns das eine oder andere Mal den Hintern gerettet hatte. Zum Beispiel eben mit kleinen Jobs die meine Freundin schwarz ausueben konnte um zumindest etwas Geld zu verdienen.

Mit 2 Arbeitskolleginnen aus den Philippinen und aus Brasilien

Wir mussten uns allerdings langsam die Frage stellen ob wir denn wirklich ernsthaft in Japan bleiben wollten oder ob wir doch lieber irgendwann wieder nach Deutschland wollten.
Bei mir war die Antwort klar. Ich wollte auf jeden Fall hier bleiben. Immerhin hatte ich hier einen meiner besten Freunde kennengelernt, Robin.
Robin war ein lieber Kerl aus Nepal.
Als ich das erste mal durch Zufall mit einem Kunden nach der Arbeit zum trinken in seine Bar kam hatte ich noch keine Ahnung dass sich dadurch eine der besten Freundschaften entwickeln wuerde, die ich in Japan jemals haben werde.
Erst ging ich nur ab und zu nach der Arbeit dort trinken und Darts spielen aber bald war ich fast jeden Tag dort um mit Robin ueber Gott und die Welt zu diskutieren. Wir unterhielten uns abwechselnd auf Englisch oder Japanisch, je nachdem wer noch anwesend war und in welcher Sprache uns die Woerter gerade einfielen.
Wir waren uns sehr aehnlich. Wir redeten darueber was uns nach Japan verschlagen hatte, ueber sein Land und die Armut dort, ueber die Arbeit, unsere Zukunftsplaene und vieles mehr.
Und wir tranken. Anfangs war ich noch mehr oder weniger Kundin dort aber mit der Zeit wurden wir beste Freunde. Wenn keine Kundschaft da war spielten wir ein paar Runden Darts und betranken uns zu Zweit oder schliefen auf einem der Sofas. Ich musste inzwischen lange nicht mehr fuer meine Drinks bezahlen. Dafuer brachte ich ihm um 3 Uhr Morgens nachdem ich meine Arbeit beendet hatte immer etwas zu essen und wir assen oft gemeinsam. Ich kam auch oft mit Kunden zu ihm und wir tranken Flaschenweise Champagner und teuren Wein was natuerlich meine Kundschaft bezahlte. Nachdem ich sie dann meisst betrunken zum Taxi gebracht hatte und sagte ich wuerde auch Heim fahren ging ich zurueck zu Robin.

Ich und einer meiner Kunden bei Robin

So ging das fast jeden Tag.
Robin war sowas wie mein grosser Bruder, den ich nie hatte und immer gewollt hatte.
Er war einer der freundlichsten und lebensfreudigsten Menschen die ich jemals kennengelernt habe.
Ich konnte mir sicher sein, wann immer ich auch die Tuer zu seiner Bar oeffnete stand er da mit einem breiten Grinsen und schrie mir entgegen: "Karinaaa, Otsukare!"


Die Zeit verging, und Robin und ich waren inzwischen wie Geschwister. Ich stellte ihm meine maennlichen Bekanntschaften vor und vertraute auf seine Meinung die er mir immer unverbluemt mitteilte sobald derjenige die Bar verliess. Er kannte meine Lieblingskunden, meine Freunde und sogar meine Mutter denn als diese 2013 das erste mal nach Japan kam und mich nach Jahren endlich besuchte war Robin einer der Ersten, die ich ihr vorstellte. Auch sie liebte ihn sofort und tanzte und lachte nach ein paar Stunden mit ihm als waere er wirklich mein Bruder.

Aber nun erstmal genug von Robin und weiter in der Geschichte.

Eines Tages kam einmal eine Gruppe von 12 leicht betrunkenen jungen Maennern in meine Bar. Ich arbeitete damals noch als Hostesse und wurde an den Tisch bestellt. Ich musste beim "Boss" sitzen. (Ich nenne ihn darum Boss, weil er von meinem Chef so angeredet wurde, ich hatte keine Ahnung wie er hiess oder ob er wirklich irgendein Boss war)
Ich stellte mich vor, fragte ihn nach seinem Namen und wir redeten ein paar Stunden lang. Ich war bereits als ich an den Tisch bestellt wurde etwas angetrunken da es schon spaet war und ich war muede und schwach. Deshalb war ich nach der ersten Flasche Wein etwas angeschwippst, was aber nicht weiter schlimm war denn die Kunden waren das auch und hatten alle totalen Spass. Der "Boss" war wie ich erfuhr 38 und geschieden. Er war sehr eingebildet und sagte mir, dass er eigentlich gar kein Interesse an Auslaenderinnen habe aber seine Freunde, die auch gleichzeitig mit ihm beruflich zusammenarbeiten wollten unbedingt einmal die Poledance show sehen. Er sagte zu mir etwas wie "Du brauchst dich gar nicht so anstrengen bei mir, ich komme sowieso nicht wieder. Ich brauch im Gegensatz zu den ganzen Opas hier bestimmt keine Frauen bezahlen damit sie mit mir trinken, das kann ich auch so." Mir wars gerade recht so weil ich es in all meinem privaten Stress damals einfach als Gelegenheit sah mich kostenlos zu betrinken. Am Schluss war ich so besoffen dass ich scheinbar bei den Kunden einschlief und an den Rest erinnere ich mich nicht.
Mein Chef erzaehlte mir am naechsten Tag dass ich eingeschlafen sei und er mich in den Umkleideraum getragen hatte. Von dem "Boss", den ich eigentlich trotz seiner unglaublichen Arroganz, (die ich aber recht schnell als Unsicherheit entlarvte) recht putzig fand hatte ich leider keine Nummer oder aehnliches. Nichtmal an seinen Namen konnte ich mich erinnern. Wie denn auch, bei 20-30 Kunden taeglich und viel zu viel Alkohol.

Den Hut hatte einer davon dabei und ich war damit danach eingepennt

Eine Woche spaeter am Wochenende laeutete mein Telefon und eine mir nicht bekannte Nummer leuchtete auf. "Hey, Besoffene, wie gehts?" Ich hatte keine Ahnung wer dran war und fragte hoeflich nach. "Ich bins, der Typ von letzter Woche, du bist auf meiner Schulter eingepennt!".
Es war der "Boss". In dem Gespraech erzaehlte er mir, dass ich ihm meine Nummer gegeben habe und gesagt haette wir koennten uns mal ausserhalb treffen (Was ich in den 3 Jahren vielleicht 3-4 mal gemacht habe und nur mit Kunden, die ich sehr gut kannte und diesem Typen damals in den ich so verschossen war). Ich haette ihm gesagt dass ich einen tollen Club kenne der bis Morgens geoeffnet haette und wir doch mal hingehen sollen. Ich entschuldigte mich und sagte ich haette keine Zeit weil ich jede Nacht arbeiten wuerde. Das sagte ich nicht nur weil es wirklich so war und ich mich generell aus Prinzip nicht mit Kunden ausserhalb der Arbeit treffen wollte sondern auch weil ich damals mit einem anderen Mann zusammen war.
Es lief zwar in unserer Beziehung gerade alles andere als rosig und ich war drauf und dran ihn in den Wind zu schiessen. Trotzdem habe ich noch immer so etwas wie eine Moral die es mir verbietet mich mit Maennern zu treffen wenn ich in einer Beziehung bin.
(Arbeit natuerlich ausgeschlossen aber das ist ja ein anderes Blatt Papier. Ich war zu meinen Beziehungen immer offen und ehrlich und versicherte ihnen dass es nichts gibt worueber sie sich Sorgen machen mussten. Ich war schliesslich nicht eine der Frauen die ihren Koerper verkauften.)

Doch der "Boss" hoerte nicht auf mich jedes Wochenende wieder anzurufen und zu fragen ob wir uns nicht treffen koennten und in diesen Club. Nach 2 Wochen hartnaeckiger aber hoeflicher "NEIN"'s meinerseits gab er auf und rief nicht mehr an.
Genau zu der Zeit hatte ich wieder grosse Probleme mit meinem damaligen Freund wonach ich beschloss mich von ihm zu trennen.
Genau eine Woche nach der Trennung kam der "Boss" ploetzlich wieder in meinen Club. Und er verlangte nach mir. Ich wurde an den Tisch gefuehrt und erkannte ihn sofort wieder.
Ich hatte ihn jedoch nicht so gutaussehend in Erinnerung. In meiner Volltrunkenheit damals hatte ich ihn nichtmal richtig angesehen denke ich. Vielleicht lag es auch daran, dass ich Kunden nach all den Jahren Erfahrung und dem Reinfall mit dem untreuen Typen namens Hiro damals nie mehr wirklich als potentielle Freunde oder Beziehungen sah sondern wirklich nur als Arbeit. Egal wie gutaussehend oder freundlich ein Kunde war, ich hatte allein dadurch dass er eben ein Kunde war einfach kein Interesse.
Nur bei dem "Boss" war es auf Anhieb etwas anders. Ich fragte ihn endlich nochmal nach seinem Namen und nahm mir vor ihn mir diesmal zu merken. Er antwortete "Ich heisse Hiro."... Damit wars das fuer mich auch schon wieder fast. Nicht noch so einer. Hiess denn hier in Japan jeder halbwegs gutaussehende Typ Hiro? Ne danke.


Allerdings kam Hiro nach diesem Mal oefter in meinen Club und bestellte jedesmal mich an den Tisch weshalb wir oefter und viel miteinander redeten. Ich mochte ihn von Anfang an sehr gerne obwohl er aeusserlich rein gar nicht mein Typ war. Er war gross, duenn aber muskuloes, braungebrannt und 14 Jahre aelter als ich. Trotzdem hatte er was an sich, was mich immer wieder dazu brachte innerlich zu grinsen. Er war anders als andere Japaner. Er war unverbluemt. Er sagte immer gerade heraus was er dachte, was nach ein paar Jahren in Japan wirklich sehr erfrischend war. Er hatte ein sehr freches Mundwerk und machte sich nicht allzuviel aus den japanischen Rang-Regeln und war auch sonst sehr ruppig.

Nach ein paar Monaten in denen er fast jede Woche da war trafen wir uns endlich doch Sonntags um in den Club zu gehen. Und wir hatten viel Spass. Natuerlich hatte ich ihn auch Robin vorgestellt, der ihn auch sofort gern hatte. Und obwohl Hiro um 6 Uhr Morgens los musste zur Arbeit waren wir bis es hell wurde unterwegs. Wir verabschiedeten uns um halb 5 Morgens und ich versprach ihm dass wir das auf jeden Fall wiederholen wuerden. Am Freitag darauf kam er wieder mit seinen Freunden in meinen Laden. Dieses Mal war es etwas ruhiger, nicht viel Kundschaft und wir redeten das erste mal ernsthaft und wirklich nuechtern. Ich wusste irgendwie von Anfang an, dass er anders ist als alle anderen Kunden und dass er sehr ehrlich sei. Er erzaehlte mir von seiner Ex Frau, warum sie sich letztendlich trennten und dass er die Hoffnung irgendwann Kinder zu haben schon aufgegeben hatte. Ich erzaehlte ihm dass ich auch geschieden war und warum. Ausserdem sagte ich dass ich niemals Kinder wolle und lieber meine Rente mit 20 Katzen verbringen wuerde da man Maennern eh nicht trauen koenne.
Darueber lachte er und sagte er solle sich vielleicht schon mal an Katzen gewoehnen denn das selbe Schicksal bluehe ihm allen Anschein nach auch.

Wieder vergingen ein paar Wochen und wir waren schon fast sowas wie ein Paar. Wir gingen wann immer er Zeit hatte vor meiner Arbeit zusammen Abendessen und ich verabschiedete mich dann um in die Arbeit zu gehen. Manchmal kam er ganz spaet noch in den Laden und danach tranken und assen wir noch Mitten in der Nacht irgendwo etwas bevor wir im Taxi nach Hause fuhren.
Jedoch immer getrennt.
Irgendwann waren wir wieder Sonntag Nachts unterwegs und ich hatte etwas zu viel getrunken. Als ich aufwachte war ich nicht daheim sondern bei ihm zu Hause. Auf meinem Handy ne Nachricht "Mach dir ruhig Fruehstueck, ich muss leider Arbeiten darum kann ich dich nicht Heim bringen aber es gibt in der naehe einen Bus. LG Hiro"
Ich war bis auf meine Jacke und Schuhe noch voll bekleidet, was hiess es war offensichtlich nichts gelaufen. Trotzdem schaemte ich mich etwas und wusste nicht was ich ihm antworten sollte. Ich dachte er wuerde sich jetzt bestimmt nicht mehr melden wo er mich sabbernd und mit offenem Mund schlafen gesehen hatte.
Ich machte mich also ohne Fruehstueck unverzueglich auf den Weg zum Bus.

Am selben Tag kam er jedoch wieder unangemeldet zu mir in den Laden und entschuldigte sich dass er Morgens nicht da war. Und somit war wieder alles wie immer.

Wir trafen uns noch einige Male und irgendwann passierte "es" dann auch. Wir kannten uns inzwischen schon einige Zeit und waren fast jede freie Minute zusammen.
Es dauerte nicht allzulange und ich wurde schwanger von ihm. Das erfuhr ich im Juni letzten Jahres.
Trotzdem ich die Pille genommen hatte war es passiert. Ich schiebe es mal auf den Alkohol aber was wirklich dazu gefuehrt hatte dass die Pille nicht wirkte werde ich wohl nie erfahren.
Fuer mich war natuerlich sofort klar, dass ich das Baby behalten wuerde, egal ob mit oder ohne ihm. Wenns sein muss wuerde ich eben zurueck nach Deutschland gehen und vorerst bei meiner Mutter wohnen. Irgendwie wuerde ich das schon schaffen.

Als ich ihm die Nachricht jedoch ueberbrachte freute er sich total und war aus dem Haeuschen.
Wir beschlossen dass ich aufhoeren sollte zu arbeiten und zu ihm ziehen.


Als alles beredet und geklaert war wollte ich Robin die frohe Botschaft natuerlich auch ueberbringen und ging so schnell es ging zu ihm in die Bar. Da er wie so oft auf meine Nachrichten nicht antwortete weil er sein Handy immer nicht hoerte ging ich einfach Nachts hin in dem Wissen dass er jeden Tag da sei.
An diesem Tag war er jedoch nicht da. Die Tuer war verschlossen, was ich in den vielen Jahren nicht eimal erlebt hatte. Wir hatten sie hoechstens von innen verschlossen wenn wir unsere Ruhe haben wollten oder in der Bar schliefen.
An der Tuer hing aber ein Zettel "Aus persoenlichen Gruenden heute geschlossen".

Rechts Robin und oben ein Freund von ihm

Ich sollte Robin nie wieder treffen... er lag seit dem Abend davor im Koma und ein paar Wochen spaeter, am 12 Juli 2015 erlag er seinen Verletzungen von einem Schlag ins Gesicht durch einen betrunkenen Bekannten. Er prallte mit dem Kopf auf dem Boden und wachte nie mehr auf.
Wir fuhren zur Leichenschau um uns zu verabschieden.
Seine Beerdigung fand jedoch in Nepal statt.
So war der Monat Juni 2015 gleichzeitig der Schoenste und Schlimmste meines Lebens....
Und somit waeren wir so ziemlich da angelangt, wo mein Blog startete....

Robin und ein Bild das ich von ihm zum Spass gemalt hatte

Vielen Dank fuers Lesen und ich hoffe euch hat die Reihe gefallen.

Rinchan's Welt

Mein Name ist Rin, ich bin 25 Jahre alt und moechte euch in diesem Blog einen kleinen Einblick in mein Leben in Japan geben. Viel Spass beim Stoebern und mehr ueber mich findet ihr bei "About me".

6 Kommentare:

  1. oh wow... diese Reihe nahm ein unerwartetes Ende. Danke, dass du uns an deinen Erfahrungen hast teilhaben lassen. Gerade, weil es doch teilweise sehr persönliche und intime Erfahrungen sind. Und ich bin wirklich sehr von deinem Werdegang beeindruckt. Du bist eine wirklich bewundernswerte, starke Frau.
    Ich habe wirklich jeden Teil davon verschlungen.

    Bleib wie du bist.

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    1. Oh dieser Kommentar ist damals wohl entgangen :( Oft wurden meine Antworten vom Handy aus nicht abgesandt. Schade.
      Danke fuer den lieben Kommentar jedenfalls :)
      Freut mich wirklich sehr :)

      LG

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  2. Oh.. irgendwie schön oder traurig!! Ich habe alle 6 Teile wirklich geliebt!! Danke dafür!

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    1. Danke sehr :(
      Ja beides zugleich. Nen besten Freund verloren und Einen fuers Leben gewonnen :)
      So ist das Leben

      LG Rin

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  3. Oh jetzt weiß ich auch wegen der Freundin Bescheid, hätte mal weiterlesen sollen gg das tut mir sehr leid um Robin

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    1. Ne is ok :) Ja es ist schon schade was passiert ist aber leider kann man daran nichts mehr aendern. Ich hoffe nur ihm gehts gut da wo er jetzt ist.

      LG Rin

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